Bio: Modul Computational Biology

Nebenfach Biologie - 15 ETCS-Modul Computational Biology

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Bio: Modul Computational Biology
Hi,

Hier ein (persönlicher) Erfahrungsbericht zu dem Modul Computational Biology (Weil ich bevor ich das Modul gehört hab einfach gerne einen gehabt hätte :D). Das Modul hat 15 ETCS und besteht aus zwei Vorlesungen (Je 7,5, CB1 und CB2). Es gehört zu dem Wahlpflichtbereich des Studiengangs Integrated Life Science (Bio-Studenten hören das nicht, obwohl es bei uns ins Nebenfach Biologie gehört). Das wichtigste zuerst: Ich finde das Modul hat sich für mich gelohnt. CB2 ist einfach. CB1 fand ich rein vom Vorlesungsstoff her meine bisher mit Abstand komplizierteste Vorlesung, die Klausur ist aber fair und man lernt cooles Zeug.

Ich hab das Modul dieses Semester mit einem Freund gehört, laut dem Prof. der die CB1-Vorlesung hält hat erst eine Informatikerin vor uns das Modul abgeschlossen. Es scheint also als Nebenfachveranstaltung nicht so beliebt zu sein, aber ev. hilft dieser Post ja Leuten wie mir vor einem halben Jahr die sich unsicher waren ob sie es hören wollen oder nicht. Für ganze 15 ETCS in einem Modul ist das ETCS/Zeit-Verhältnis echt gut!

Zu CB1:

CB1 fängt sehr schnell an und geht direkt mit Thermodynamik los. Danach geht es weiter mit Statistischer Thermodynamik, Viel Ausrechnen von Freier Energie (Via viele verschiedene Methoden die ich nicht alle wirklich verstanden hab), Moleküldynamik(-Simulationen), Modelierung von biologischen Systemen (vor allem von Zellmembranen), Proteinfaltung, Teilchenbewegungen/Diffusion, Docking und anderen Sachen. Ich zumindest habe mich am Anfang ins kalte Wasser geschmissen gefühlt und so den ersten Monat gar keinen Plan davon gehabt was da in der VL abgeht. Inhaltlich ist das eher eine Physik oder Mathe als eine Biologievorlesung. Vorwissen aus “normalen” Bio-Nebenfachvorlesungen bringt einem so gut wie nichts (Außer ev. was den Zellmembranen-Teil angeht, aber das ist nicht wirklich Fokus der Vorlesung). Man merkt, dass das Modul eig. nur für ILSler ist, es wird von einem Wissen ausgegangen das ich oder mein Kumpel nicht hatten (Z.b. Rechnen mit Mol, Kilokalorien, Thermodyn. Potentialen, Wissen über Proteinstrukturen). Wenn man sich allerdings einmal damit abgefunden hat das man einfach nicht alles verstehen wird ist das Modul echt interessant. Der Prof (Böckmann) hat aber finde ich keinen guten Vorlesungsstil, was den alles noch komplexer scheinen lässt. Das Script geht nur über das erste viertel der Vorlesung, auch wenn anscheinend ein längeres in Planung ist. Um ehrlich zu sein war ich zwischenzeitlich kurz davor abzubrechen weil ich in der Vorlesung einfach viel zu wenig verstanden hab. Allerdings lernt man schon einige super coole Sachen kennen. In der Vorlesung schreibt man zwar keine einzige Zeile Code oder so, aber es wird am Rand bei sowas wie Moleküldynamik-Simulationen oder Docking auch darauf eingegangen wie man das behandelte Zeugs schnell auf einem (Super-)Computer rechnen und simulieren würde.

Von der Notation her ist das übrigens häufig nicht wie man es aus (Ingenieurs-) Mathe kennt (z.B. Viele Formeln mit Differentialen). Der VL fehlt etwas der rote Faden, aber wer schon immer mal wissen wollte warum ein Molekül/Ion durch eine Zellmembran wandert (und zwar genauer als nur “weil Diffusionsgradient” wie in Allgemeine Mikrobiologie), warum sich Proteine anders falten wenn sie in unterschiedlichen Lösungen/Temperaturen liegen (und zwar genauer als nur “weil Bindungen aufbrechen”), was alles das Bilden von Protein-Ligand-Komplexen beeinflusst (Und wann welches Verhältnis von gebunden zu ungebunden vorliegt) und wann diese wie wahrscheinlich sind, für den ist diese Vorlesung was! Ich kann jetzt zwar nicht von mir sagen das alles genau erklären zu können, aber ich weiß jetzt von vielen Sachen das sie doch sehr viel Komplizierter sind als ich dachte und wüsste immerhin ungefähr womit ich mich weiter beschäftigen müsste um diese Dinge vollends zu verstehen.

Die Übungsaufgaben sind freiwillig, bereiten aber gut auf die Klausur vor. Sie sind einfacher als der Vorlesungsstoff, aber manchmal fehlte mir zumindest komplett der Ansatz und ich wusste nicht wie ich da rangehen soll. Sie schwanken im Arbeitsaufwand und dem Schwierigkeitsgrad. Nachdem es in der Übung besprochen wurde wird einem das meiste allerdings klar. Die Übungen werden vom Prof. persönlich gehalten (Das Modul hören auch nur so 20 Leute pro Semester), und der ist wie gesagt nicht der beste Didakt, aber andere Studierende haben doch meist gute Lösungen vorgezeigt. Die Übungen helfen aber nur bedingt beim verstehen der Vorlesung. Man muss ab und zu Sachen beweisen, oft aber auch nur die richtigen Formeln in der richtigen Reihenfolge anwenden und dann geht das schon.

Zusätzlich zu Vorlesungen und Übungen muss man noch einen Seminarvortrag halten (Ohne Schriftliche Ausarbeitung, 15 min. Vortrag, 5 min. Fragen). Es gibt eine Themenliste und zu jedem Thema 2-3 Papers (Bei vielen ist der Prof. beteiligt). Alle drehen sich irgendwie um Zellmembranen, und das Niveau ist schon ziemlich hoch. Bis man die Paper verstanden hat muss man sie schon 4-5x lesen und googeln, auch wenn einzelne einfachere Themen dabei sind. Gute Noten gibts da aber, und die Vorträge sind im allg. gut und interessant. Bei Fragen steht der Prof auch zur Verfügung.

Die Klausur war extrem nah an einer Altklausur dran. Ich denke es war hier ein Glück das die Klausur schriftlich war, weil es doch ziemlich schwer ist den Vorlesungsinhalt richtig zu verstehen, die Übungsaufgaben aber ok sind. Man muss sich aber damit abfinden, dass man Startschwierigkeiten haben wird und der Stoff echt nicht einfach ist! Die Klausur kann man aber bestimmt mit einer sehr guten Note bestehen ohne alles zu durchblicken.

Zu CB2:

CB2 ist die deutlich einfachere der beiden Vorlesungen. Hier wird tatsächlich auch programmiert, ca. die Hälfte des Stoffes deckt sich mit AlgoKS. Neben Stoff aus AlgoKS wird z.B. noch das numerische lösen partieller Differentialgleichungen und das erzeugen von Zufallsvariablen mit bestimmten Dichten behandelt. Partielle Differentialgleichungen tauchen übrigens auch in CB1 öfters auf, z.B. wird sich dort mehrfach mit der Diffusionsgleichung beschäftigt. Der Prof ist aber sehr nett und didaktisch gut, falls man in AlgoKS also Probleme mit dem Verständnis von polynomieller Interpolation o.ä. hatte kann man das hier noch bequem lernen :D. Auch für diese VL braucht man eig kein Vorwissen aus der Biologie, aber es kann halt, wie bei AlgoKS damals auch, schon etwas Mathe von Nöten sein. Stoff hält sich aber in Grenzen, ist eig. nicht sehr viel was da gemacht wird. Die Anwendungsbeispiele für den Inhalt kommen halt aus der Biologie.

Die Übungen sind einfach und freiwillig. Themen: Einführung in C (die ILSler die das hören können zu dem Zeitpunkt zu dem sie VL haben schon programmieren, aber kein C) und Gnuplot, numerisches Nullstellen finden, numerisches Integrieren, numerisches lösen von Differentialgleichungen, Interpolation, Fitting, RMSD-Berechnung, Random-Walks, … (Alles nicht die Welt). Ich war aber selbst nur bei weniger als einem drittel der Übungen in CB2.

Nach Weihnachten muss noch in einem 3-4 Leute Team ein kleines Projekt umgesetzt werden, die Themen sind aber recht simpel und nicht zu anspruchsvoll. Es muss ein Code geschrieben werden der ein bestimmtes Problem löst und dann ein 15 min. Vortrag gehalten werden. Als Beispiel das Thema das meine Gruppe hatte: Zeigen, dass die End-To-End-Distance bei einem Self-Avoiding-Random-Walk in einem 3D-Gitter mit sqrt(N) skaliert (N sei die Anzahl der Schritte beim Random-Walk).

Zusammenfassung/TL;DR:
CB1 (Tatsächlicher Arbeitsaufwand hängt davon ab wie viel Zeit man reinstecken möchte und ob man die Übungen macht):

  • Extrem komplizierter Vorlesungsinhalt (Statistische Thermodynamik, …)
  • Übungen freiwillig und wenn man den Ansatz hat machbar
  • (Schriftliche) Klausur fair, wenn man Altklausur hat fast einfach, hat nicht die Komplexität der Vorlesung, nah an Übungen
  • 15min. Seminarvortrag über ca. 3 Paper zu (schon komplexeren) Themen rund um Zellmembranen
    CB2 (Tatsächlicher Arbeitsaufwand für jemanden der schon programmieren kann eher gering):
  • Komplett in Englisch, Quasi AlgoKS aber in anders und im allg. einfacher
  • Übungen freiwillig, kann man sich als Informatiker eig. schenken
  • Prof super, Tutor nett, Klausur sehr nah an Übungsaufgaben
  • “Final Project” in 3-4er Gruppen und 15 min. Vortrag dazu. Projektthemen einfach.
    Vorwissen:
  • KEIN Bio-Vorwissen nötig (Allerhöchstens Basics über Proteinaufbau).
  • Statistik und Differentialgleichungen kommen in beiden VL mehrfach vor und werden als Wissen vorausgesetzt!
  • Chemie und Physik sollte man zumindest noch Grundkenntnisse aus der Schule im Hinterkopf haben, je mehr desto besser! Braucht man mehr wie Bio!
  • Thermodyn.-Basics haben die ILSler die das hören schon drauf und sind bestimmt extrem praktisch! Aber offensichtlich geht es auch ohne.

Ich hoffe ev. hilft dieser Post irgendwann mal jemandem bei der Entscheidungsfindung. Großes Pro finde ich: 15 ETCS in einem Semester, Nebenfach in einem Winter direkt fertig, und CB2 ist deutlich weniger Aufwand als 7.5 ETCS, dafür lernt man dort aber als Informatiker nicht wirklich viel neues. Nach CB1 habe ich gefühlt mehr Fragen als ich Vorher hatte weil es einfach so viel Stoff war. Dafür aber fand ich das meiste schon ziemlich faszinierend. Man lernt nur neues, aber nichts so genau das man keine neuen Fragen zu dem Thema mehr hätte. Für jemanden der Bereits Erfahrung mit Thermodynamik und mehr Physik-Wissen hat sollte der Einstieg einfacher sein. Es gibt garantiert leichtere Nebenfächer (z.B. die anderen Bio-Nebenfachmodule), aber garantiert auch schwerere.

Grüße!

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Hey,
ich bin die Informatikerin, die das Modul auch abgeschlossen hat :wink:
Bei mir gab es zwei Unterschiede bei CBI1: die Übungen waren verpflichtend und mussten abgegeben werden und ich hatte eine mündliche Prüfung.
Ohne Unterstützung durch die ILSler hätte ich die Übungen wohl nie hinbekommen. Aber denen ging es teilweise ähnlich und so haben wir die eigentlich immer in Gruppenarbeit in der Cafete gelöst. Prof. Böckmann hatte aber anscheinend nicht viel Spaß am Korrigieren und sich diesen Aufwand bestimmt gerne wieder gespart.
Die mündliche Prüfung fand ich sehr anspruchsvoll. Man musste nicht nur die unzähligen Formeln auswendig können, sondern gleichzeitig auch Algorithmen erklären können und sich über Quantenmechanik unterhalten können. Lief bei mir nicht optimal, aber war insgesamt ok.
Ich würde es einem Informatiker nur empfehlen, sofern er nicht davor zurückschreckt sich an ein Grüppchen ILSler heranzuhängen.

Bei CB2 fand ich vor allem die Beobachtung interessant, wie Nicht-Informatiker so programmieren (lernen) und ihre besonders innige Beziehung zu scanf. Ich hoffe inständig, dass sie das Gelernte niemals anwenden. Ich habe damals auch teilweise einfach in Python programmiert, weil ich die plot-Befehle besser auswendig kannte als die von gnuplot.

Viele Grüße
Lisa

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