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Die Gefühle eines Studenten in seinen letzten Stunden
Die Gefühle eines Studenten in seinen letzten Stunden
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Die Diesmal-beginne-ich-rechtzeitig-Phase
Am Anfang der Planung sind die Studenten ziemlich optimistisch. Besteht
doch die Aussicht, daß mensch wenigstens dieses Mal auf sinnvolle und
systematische Weise arbeitet. Obwohl der Student um keinen Preis der
Welt bereit ist, gleich an die Arbeit zu gehen, rechnet er in dieser
Phase fest damit, daß der Arbeitswahn irgendwann spontan über ihn kommt.
Diesmal. Bald. -
Die Ich-werde-gleich-was-tun-Phase
Der Zeitpunkt für einen wirklich frühzeitigen Beginn ist nun
verstrichen. Die Illusion, diesmal ein perfektes Timing hinzukriegen,
schwindet. Parallel dazu wird der Druck, anzufangen intensiver. Aber die
Deadline ist noch nicht in Sicht.
Gleich geht’s los. -
Die Was-soll-ich-nur-tun-wenn-ich-jetzt-nichts-tue-Phase
Während die Zeit ungenutzt dahinzieht, hat sich die Frage eines
rechtzeitigen Beginns endgültig erledigt. Diese Hoffnung ist dahin -
dafür kommen Visionen. Der Student malt sich aus, wie es wäre, wenn die
Prüfung über Nacht abgeblasen oder -noch besser- verschoben würde, ohne
daß irgendwer gemerkt hätte, daß er schon wieder nicht in die Hufe
gekommen ist. Er beruhigt sich mit der Vorstellung, in mörderischen
Nachtschichten alles bisher Versäumte nachzuholen - demnächst!
Er entwickelt eine komplizierte Ausreden-Logistik. Trotzdem: Noch könnte
er die Vorbereitung termingerecht abschließen. -
Die Ich-tue-jetzt-was-anderes-Phase
Fast alle Studenten beginnen in diesem Stadium mit hektischen
Aktivitäten, die alles Mögliche betreffen, nur nicht die Vorbereitung.
Sie setzen alle ihre angesammelten Kräfte daran, den Haushalt endlich
vollständig zu säubern, nehmen an Töpferkursen teil oder rasieren sich
die Beine. Sie nehmen sich längst abgelegter Arbeiten an. Sie füllen
ihre Zeit mit Dingen, die ihnen wirklich unangenehm sind - bloß, um die
Prüfungsvorbereitungen zu verdrängen. -
Die Ich-hab’-auch-ein-Recht-auf-Freizeit-Phase
Der Emotionshaushalt des Studenten ist nun äußerst fragil. Einerseits
ist es ihm gelungen, sich selbst zu belügen. Andererseits wachsen die
Schwierigkeiten bezüglich der Zusammenfassung mit jeder Stunde. In dieser
Phase neigt der Student zu tollkühnem Eskapismus: Angesichts all der
Anforderungen, die an ihn gestellt werden, manifestiert sich nun das
Gefühl, mindestens einmal ein Recht auf Freizeit und Vergnügen zu haben.
Die Prüfung, redet er sich ein, ist bloß ein Klacks, wenn er sich vorher
erstmals was gönnen kann, Jetzt fahren die Studenten erstmal nach Hause,
gehen ins Kino oder betrinken sich vorsätzlich. -
Die Es-ist-immer-noch-etwas-Zeit-Phase
Obwohl er sich nach diesen Vergnügungen schuldig fühlt, und obwohl ihm
der Boden jetzt jeden Moment unter den Füßen wegzubrechen droht, setzt
der Student immer noch auf Zeit. Er ist allerdings sicher, daß er
demnächst in einen geradezu tierischen Arbeitsrausch verfallen wird.
Jetzt konzentriert er sich darauf, Zwischenergebnisse vorzutäuschen. “Ja
ja, ich komme gut voran…” ist in dieser Phase sein Standardsatz.
Nebenfronten werden eröffnet. “Ich bin gerade auf einen interessanten
Aspekt gestoßen…”, versucht er den Mitstudenten weiszumachen. -
Die Mit-mir-stimmt-etwas-nicht-Phase
Gleichzeitig plumpst er jetzt in tiefe Depressionen. Die Prüfungstermine
sind zum Greifen nahe - aber unser Student hat so gut wie nichts in der
Hand. Selbstvorwürfe und Selbstzweifel holen ihn ein. Er ist überzeugt,
daß ihm einfach fehlt, was alle anderen aufweisen können: Disziplin,
Mut, Grips, Klopapier! -
Der Showdown - Die panische Phase
An diesem Punkt muß der Student seine Entscheidung treffen: Das sinkende
Schiff verlassen oder bis zum Ende durchhalten. Der Druck ist so groß,
daß er es nicht mehr aushält, auch nur eine einzige weitere Sekunde auf
Kosten der Vorbereitung zu verlieren. Sämtliche Fremdeinflüsse werden
ausgeschaltet. Der Student wäscht sich nicht mehr, verweigert die
Nahrungsaufnahme und unterdrückt den Pinkelzwang. Ohne Wenn und Aber
wirft er sich jetzt in die Schlacht. Energiehormone werden in
Extradosierungen ausgeschüttet. Die Arbeit geht voran. Die Gewißheit,
die Prüfung doch noch durchstehen zu können ist da.
Die Arbeit ist schwierig und schmerzhaft - dennoch gerät der Student nun
in die euphorische Phase. Es ist genau dieser Rausch, den er eigentlich
sucht. Das Gefühl, es gerade noch einmal zu schaffen. Dazu das
Bewußtsein, in Besitz von Riesenkräften zu sein: Seht, das Ergebnis ist
gar nicht so schlecht! Erst recht, wenn man bedenkt, daß keine Zeit mehr
war. Ein anderer hätte das in der vorgegebenen Zeit auch nicht besser
hingekriegt. Und er ist froh, nicht mehr gelernt zu haben, denn
schließlich sind diejenigen, die erheblich früher angefangen haben, auch
durchgefallen…