Nebenfach Soziologie

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Nebenfach Soziologie
Hallo,
hat hier jemand Soziologie im Nebenfach belegt (vorzugsweise Diplomer) und will mir ein bisschen was darüber erzählen?
Die Informationen im Netz sind leider recht spärlich, alles was ich gefunden hab ist eine Modulbeschreibung für Bachelor/Masterstudenten. [1]
Mails an den Ansprechpartner in der Soziologie hab ich schon abgesetzt, mich interessiert hier eher die Erfahrung aus Studentensicht:

  • Welche Veranstaltungen wurden gewählt oder sind vorgegeben?
  • Umfang des Arbeitsaufwandes: Mit wie vielen Semestern Arbeit muss man realistisch rechnen?
  • Welche Voraussetzungen und welches Vorwissen wird (auch implizit) erwartet. (Mein Wahlpflichtfach im Grundstudium war nicht aus der Soziologie)
  • Was habt ihr euch davon erwartet und wie lief es dann tatsächlich ab? :slight_smile:
    Meine Hauptmotivation wäre, zu lernen, wie man in anderen Disziplinen, abseits der Natur- und Ingenieurswissenschaften, arbeitet.

[1] http://www.informatik.studium.uni-erlangen.de/studierende/nfaecher/nf-soziologie.pdf


Ich habe in den letzten zwei Semestern das Nebenfach Soziologie belegt. Weil mich gerade auch konkret Leute dazu Fragen stellen, hier einfach mal öffentlich im Forum. Hilft vielleicht auch der Nachwelt. Der offizielle Plan [1,2] sieht dabei drei Veranstaltungen vor. Das ist (1) die Vorlesung Einführung in die Soziologie, (2) die Vorlesung Einführung in die Methoden der empirischen Sozialforschung und (3) ein Seminar.

Die Vorlesung Einführung in die Soziologie findet im Winter statt und hat bei mir Prof. Jan Weyand [3] gehalten. Das ist erst mal eine Einführung in einige grundlegenden Ideen der Soziologie. Also soziale Normen, rationales Handeln, Institutionen, Kommunikation, Gewalt, Tausch und so weiter. Prof Weyand meint am Anfang, Soziologie ist nur ein Fach für Leute die gerne lesen. Entsprechend gibt es zu jeder Vorlesung auch einen oder mehrere Texte als Primärquelle. Da es sich um die Grundlagen handelt sind diese Texte gerne auch mal älter. In die Vorlesung bin ich nur zwei mal gegangen (Erstis sind unverschämt laut im Hörsaal, das gilt für die Informatik wie die Soziologie). Die Klausur war kinderleicht, wenn man die Texte mal gelesen und verstanden hat. Besonders das Lesen der auch mal theoretischen Texte hat mir Spaß gemacht.

Die Vorlesung Einführung in die Methoden der empirischen Sozialforschung ist wohl eher ein praxisorientiert Einstieg für die Studierenden der Soziologie und ähnlicher Fächer. Gehalten hat es Prof Nicole Saam [4]. Es geht erst mal ein bisschen um Wissenschaftstheorie (Popper und so Kram). Dann im zweiten Teil aber geht es um konkrete Verfahren für soziologische Studien. Ich habe das Gefühl, dass diese Veranstaltung eben hauptsächlich für Studierende der Soziologie Sinn macht, denn was man hier kennenlernt ist sicher für Bachelor- und Masterarbeiten in diesem Bereich wichtig. Warum man als Nebenfachstudent der Informatik diese Veranstaltung als Pflicht serviert bekommt verstehe ich überhaupt nicht. Die Klausur ist dann leider auch noch stressiger als bei der Einführung der Soziologie, es wird Wert auf sehr ausführliche Antworten gelegt. Ich hatte nur eine 2,3.

Abschließend gibt es dann das Seminar, ganz korrekt ausgedrückt das Proseminar. Da hat man nun die Qual der Wahl, auf Studon [5] sucht man sich aus einem der vier “Qualifikationsfelder” ein Seminar aus. Zur Wahl stehen “Vergleichende Gesellschaftsanalyse”, “Bildung und Lebenslauf”, “Kultur und Kommunikation” und “Arbeit und Organisation”. Für alle diese Bereiche gibt es Basisseminare, die in den Themenbereich einsteigen. Vermutlich ist das für einen Quereinsteiger die einfachste Wahl; ich habe mich für das Basisseminar Arbeit und Organisation entschieden. Dozent war wieder Prof. Weyand, auch weil er mir in der Einführungsvorlesung so sympathisch war. Bei jedem Termin des Seminars wurde ein Text diskutiert, der vorher von den Studierenden gelesen und verstanden hätte werden sollte. Das ganze lief über Zoom und hat leider nicht gut funktioniert, was aber an den Teilnehmern lag. Viel zu oft war neben mir und ein, zwei anderen Studierenden niemand im Seminar wirklich aktiv. Das war wirklich Schade, denn die Texte waren nicht schlecht und nicht immer einfach. Prof. Weyand gab sich aber tapfer rund stellte immer ganz nette Fragen. Nun zur Benotung, in diesem Seminar gab es zwei Möglichkeiten: Entweder (1) man gibt eine benotete Hausarbeit ab oder (2) alternativ verfasst man zu drei der Texte kurze Zusammenfassungen und bekommt einen nicht benoteten Schein für die 5 ECTS. Ich habe mich für letzteres entschieden (Überraschung). So eine Zusammenfassung schreiben kann schon mal bisschen dauern, hat mir aber auch Spaß gemacht, weil man den Text eben auch wirklich verstehen muss. Ich habe meine Zusammenfassungen mal veröffentlicht [6, 7, 8], vielleicht hilft es beim Einschätzen des Aufwands. In kurzer Zusammenfassung, beim Seminar vielleicht eher ein Basisseminar wählen (verlangt weniger Vorwissen) und auf bessere Kommilitonen als bei mir hoffen.

Also mir hat es gefallen, aber ich lese auch so gerne mal Philosophie und informatikferne Literatur.

[1] https://www.soziologie.phil.fau.de/studium/studiengaenge/nebenfach-soziologie/#collapse_0
[2] https://www.soziologie.phil.fau.de/files/2017/12/Soziologie_im_Nebenfach_Informatik_1.pdf
[3] https://www.soziologie.phil.fau.de/team/weyand/
[4] https://www.soziologie.phil.fau.de/team/saam/
[5] http://univis.fau.de/form?__s=2&dsc=anew/tlecture&tdir=philos/is/bachel&anonymous=1&ref=tlecture&sem=2020w&__e=554
[6] https://wwwcip.cs.fau.de/~ru64tiji/pdf/marx.pdf
[7] https://wwwcip.cs.fau.de/~ru64tiji/pdf/hausen.pdf
[8] https://wwwcip.cs.fau.de/~ru64tiji/pdf/nachtwey.pdf

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Cool danke für den ausführlichen Bericht, @kissen!
Geh ich dann recht in der Annahme, dass ich irgendein Seminar aus SozQf(1|2|3|4) wählen kann, egal ob Basisseminar, Hauptseminar oder Seminar?
In der Folie zu den Wahlpflichtmodulen des Nebenfachs[1] irritiert mich der Begriff “Proseminar”.^^

[1] https://www.soziologie.phil.fau.de/files/2020/12/ma-informatik-nf-soziologie.pdf


Also ob Q1, Q2, Q3 oder Q4 darf man sich auf jeden Fall selber aussuchen. Proseminar ist glaube ich der Begriff für Einstiegsseminar, ob das irgendeine bindende Bedeutung hat weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Vielleicht suchst du dir am besten ein interessantes Thema raus und fragst einfach mal bei Aida.Bosch@soziol.phil.uni‐erlangen.de nach, ob das so in Ordnung geht.

Ich bin ja einfach ins Seminar gelaufen und habe dann auf das beste gehofft. Das ist wahrscheinlich keine vorbildliche Strategie :slight_smile:


Ich hab nun mehr Informationen:
Du kannst laut einem Komilittonen aus einem anderen Fach (der nachgefragt hat) nur Seminare nehmen (gekennzeichnet mit SEM), das sind die Proseminare.
Es geht bestimmt auch ein Hauptseminar (HS) zu nehmen. Das ist halt eigentlich für erfahrenere Studierende gedacht. Nachfragen kostet nichts, für mich interessante Seminare sind Proseminare, also ists für mich eh nichtig nachzufragen.^^

Wenn ich dran denke, schreib ich evtl. auch einen Abschlussbericht noch hier rein. :slight_smile:

Erfahrungsbericht
Hallo! Nun schreib ich meinen Erfahrungsbericht, obwohl ich das Fach noch nicht abgeschlossen habe, aber kurz davor bin. Ansich hat es Spaß gemacht und wenn man Sozialforschung mit Informatik kombinieren möchte ist das tatsächlich sinnvoll! Der Plan für die Belegung sollten bekann sein (siehe Beitrag oben von kissen).

Einführung in die Soziologie: stimme ich mit den vorherigen Beitrag ein: gute und einfach zu verstehende Einführung in das Fach Soziologie. Ich habe auch ohne die Texte zu lesen eine gute Note geschrieben.

Einführung in die Methoden der empirischen Sozialforschung: inhaltlich gehe ich jetzt mal nicht ins Detail (außer es will jemand irgendwas explizit Wissen oder so), der ist ja durch den Vorredner bekannt. Ich fande das Lernen auch deutlicher stressiger und habe erst bei der Klausur für Wiederholer mitgeschrieben. Die soll wohl einfacher gewesen sein und ich fande sie jetzt auch nicht wild wie gedacht und von anderen gehört.
Ich denke die haben dieses Fach ausgewählt, da es halt Fundamental für das Verstehen und Arbeiten Sozialwissenschaften ist. Oft machen ambitionierte Studenten/innen für Hausarbeiten der Proseminare schon so quantative oder qualitative Befragungen (nicht nur theoretische Arbeiten), hab ich mitbekommen. Außerdem hat es mir, im Nachhinein betrachtet, geholfen die Hausarbeit mit einer besseren Methodik anzugehen. Ich hab auch zuerst mega geschimpft was das blöde Fach soll.^^

Proseminar: Ich habe zunächst kein Basisseminar, sondern irgendwas mit Robotik/AI in der Gesellschaft, was aber angerechnet werden konnte. Da habe ich gemerkt, dass da ziemliche Sozi-Nerds schon dabei sind und eher advanced ist. Die Anforderungen waren auch stressiger:

  • Jede Woche einen 20 - 50 Seiten Text lesen und vorbereiten
  • Es war Pflicht in 2 oder 3 Sitzungen die Moderation zu übernehmen, d.h. Diskussionen führen, mehr Input geben als sonst und weiterführende Literatur raussuchen
  • Dann eine benotete Hausarbeit über 15 Seiten.
    Holla die Waldfee dacht ich mir :smiley: Also hab ich zum Basisseminar “Arbeit und Organisation” von Weyand gewechselt. Das war viel angenehmer, einfacher und von den Anforderungen nicht so krass. Die Diskussionen waren auch sehr gut. Es gab zwar den ein oder anderen Sozi-Nerd, allerdings waren die Diskussionen durch den grundlegenden Stoff immer sehr ausgeglichen.
    Diese unbenoteten Zusammenfassungen waren leider nicht mehr möglich, da es wohl damals ein Missverständnis mit dem Prüfungsamt gewesen war und ich musste dann eine benotete Hausarbeit mit einem kleinerem Umfang von 8 - 10 Seiten schreiben (anstatt der üblichen 15 Seiten). Ich hab was über Arbeitsmigration geschrieben. Du kannst bei den Hausarbeiten im Prinzip über alles schreiben was irgendwie mit Arbeit und Organisation zusammenhängt. Prof. Weyand gibt da einen sehr großen Handlungspielraum. Allerdings hat er immer wieder betont, dass es eine Vorbesprechung natürlich gut ist. Du musst auch nicht mal auf ein Thema festlegen, sondern kannst “einfach” schreiben und dann abgeben. Wenn Ich sie fertig hab, stell ich auch mal einen Link hier rein. :slight_smile:

Fazit: Mir hat es auch gefallen, auch wenn ich nicht der große Leser bin. Ich beschäftige mich halt mit den Themen und hab daher den Zugang. Generell fande ich es ein durchaus machbares Fach, wo ich mal geisteswissenschaftliches Denken (kein technisches 0/1-Denken) kennenlernen konnte. Es hat dementsprechend meinen Horizont erweitert.