GOP fähig und GOP

Was bedeutet das genau

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GOP fähig und GOP
Hallo miteinander,

ich habe dieses Semester erfolgreich meine GOP-Phase abgeschlossen das ist die gute Nachricht :). Allerdings habe ich eine Frage bezüglich der GOP Regelung, da diese doch sehr verwirrend ist. Ich habe jetzt nicht alle
Fächer aus dem 2 Semester geschrieben. Mir fehlt noch GRA und GDS. Ich habe ja jetzt meine GOP-Phase bestanden heißt dass das ich für die anderen 2 Fächer zum beenden theoretisch zeit bis zum 7. Semester habe (Corona Regelung) bzw. wenn es hart auf hart kommt bis zum 8. oder 9. Semester oder muss ich auch die Fächer innerhalb einer Frist bestehen. Ich habe dazu nichts in der Prüfungsordnung gefunden. Es tut mir leid, wenn die Frage lächerlich erscheint.


Der Grund weswegen diese Regelung so komplex ist, ist historisch begründet. Tatsächlich ist es so, dass sobald du die GOP-Phase bestanden hast es faktisch keinen Unterschied mehr zwischen den verbleibenden Prüfungen, “GOP-fähig” oder nicht, gibt.

Ursprünglich waren die “Grundlagen- und Orientierungsprüfungen” ein politisch gewolltes Mittel gegen das Langzeitstudium. Die generelle Eignung jedes/jeder Einzelnen für das Fachstudium sollte in einer gesonderten Prüfung nach dem zweiten Semester festgestellt werden. Daher auch der seltsame Name, die Extraprüfung sollte dem Studierenden dabei “helfen”, sich fachlich zu orientieren (Euphemismus für: gefälligst etwas anderes studieren weil man aus dem Studium fliegt).

Dann hatte aber natürlich keiner Lust, eine weitere Prüfung einzuführen, die ja schlichtweg nur mehr Arbeit für die Fakultät bedeutet. “Nein” sagen wollte man aber auch nicht, denn Widerstand wird grundsätzlich nur geleistet, wenn es auch wirklich einem selbst schmerzt, also hat man den Schwachsinn einfach umgebogen und gesagt, wir haben ja schon Prüfungen, lass uns einen Teil davon als “Grundlagen- und Orientierungsprüfung” deklarieren als Ersatz. Das hat wie zu erwarten funktioniert und war einer der Reibungspunkte bei den Protesten der Studierenden gegen den Bologna-Protest, in Erlangen manifestiert durch die wochenlange Besetzung des Audimax.

Zumindest innerhalb der Informatik war man dann, ganz anders als die damalige inkompetente und studierendenfeindliche Universitätsleitung (ich beziehe mich auf den damaligen Rektor/Präsidenten Grüske und seine Handlangerin für Lehre Johanna Haberer), sehr gewillt, die Studierenden anzuhören und konstruktiv die entstandenen reellen Probleme im neuen Studiengang anzugehen. Dabei wurde die Lösung gefunden, mit der man die von oben vorgeschriebene GOP-Regelung maximal abschwächen kann: Der Satz an zu bestehenden GOP-Prüfunden ist dynamisch und individuell an den Studierenden geknüpft, je nachdem welche Prüfungen er/sie bereits bestanden hat.

Eine Lösung deren Intuition und Innovation ich weiterhin sehr schätze, wie auch generell den Umgang der Informatik mit den damaligen Protesten und Problemen. Dazu gehört z.B. die Einberufung einer Gesprächsrunde, zu der alle eingeladen waren, um eine Liste von konkreten Problemen zu erstellen und Lösungsvorschläge zu entwickeln. Ebenso, dass sich wiss. Mitarbeiter und Professoren aus der Informatik selbst ein Bild von den Protesten und Forderungen der Studierenden machten.

Quelle: Ich selbst war damals als Studierendenvertreter in der Kommission für Lehre, als techfakweite BA/MA und GOP ausgearbeitet wurden, später während der Umsetzung und Proteste dann Doktorand.

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Hallo,

erstmal danke für deine doch ausführliche Antwort und Erklärung. Es ist mal gut so wissen was das bedeutet. Ja, dann bin ich erstmal beruhigt. Ich dachte für die übrigen GOP-fähigen Fächer gibt es auch so eine Regelung,
dass wenn man diese z.b. nicht bis zum 6 Semester geschrieben hat man automatisch exmatrikuliert ist. Das ist aber nicht der Fall, wenn ich dich richtig verstehe. Es ist gut so wissen dass man doch ein Stückweit von Musterstudienplan abweichen kann :slight_smile:


@Ford Prefect: Was war denn konkret die Kritik am GOP-System der Informatik damals? Das heutige Konzept finde ich an sich nicht schlecht. Die meisten Studenten, die - sagen wir mal - mindestens durchschnittlich in ihren akademischen Leistungen sind, betrifft es eh nicht, weil diese die 30 ECTS durchaus in 2 Semestern holen können. Und die, die das nicht schaffen (mal abgesehen von billigenden Umständen), sollten vielleicht ernsthaft in Erwägung, ob ihnen die Informatik tatsächlich liegt.


Das heute Konzept innerhalb der Informatik ist ein Resultat der damaligen Kritik und mir ist nie eine Kritik an diesem Konzept zu Ohren gekommen. Durch die freie Wahl der Fächer wird aus einem „Diese Prüfungen musst du in der zweiten Wiederholung auf jeden Fall bestehen“ ein „Einige Prüfungen musst du in der zweiten Wiederholung auf jeden Fall bestehen“ – ein erheblicher Unterschied, insbesondere was den Stressfaktor angeht und wann dieser beginnt.

Zum damaligen Konzept muss man jetzt erstmal weiter ausholen. Wenn ich etwas einführe, muss ich ja erstmal definieren was ich damit erreichen will und wieso diese Maßnahme zweckdienlich ist und tauglicher als andere Maßnahmen. Ferner muss ich abwägen, ob die Seiteneffekte der Maßnahme mir das wert sind.

Erreicht werden sollte, dass die Zahl der Langzeitstudenten reduziert wird. Diese sollen möglichst früh ausgesiebt werden. Zum damaligen Zeitpunkt war es aber so, dass die Langzeitstudenten nicht vom Studienanfang weg geplant haben, lange rumzutrödeln und sich deshalb vorsichtshalber erstmal nicht für Prüfungen angemeldet haben (und nach der Erstanmeldung wurde man auch automatisch für Wiederholungen angemeldet). So ein Fall ist mir jedenfalls nicht bekannt. Sehr verbreitet war hingegen, und ich kannte recht viele Fälle von Langzeitstudenten:
a) Studierende, die sich regelmäßig krankschreiben lassen und so die Prüfungen und Wiederholungsprüfungen vor sich herschieben, teilweise dann nur noch eine Prüfung/Semester ablegen
b) Studierende, die an den letzten Vordiplomsprüfungen scheitern und diese dann noch mehrere Jahre lang mitschleppen (also Prüfungen nach dem vierten Semester!)
c) Studierende, die im Hauptstudium generell ziellos werden oder leistungsschwache Studierende, bei mehreren Lehrstühlen „schoppen gehen“ bis sie passende Prüfungen und Abschlussarbeiten finden
Auf diese Fälle war GOP also gar keine Antwort, selbst wenn es funktioniert hätte.

Andere Maßnahmen die durchaus hätten helfen können wären denke ich, z.B. zusätzliche Tutorien und Kurse, persönliche Beratung (nicht nur fachlich) oder Information und Hilfe zum Studiengangswechsel mit Anrechnung von erbrachten Leistungen. Aber das sind eben alles Dinge, die echten Aufwand erfordern (das wurde dann in Einzelinitiativen wie z.B. Mathe-Rep usw auch geleistet, aber völlig unabhängig von GOP oder dem Ziel der Langzeitstudentenreduktion). Auch hätte man Studienzeiten allgemein verkürzen können, indem man in den selben Semesterferien eine Wiederholprüfung angeboten hätte. Das war damals im Übrigen in der Elektrotechnik gängige und erfolgreiche Praxis, dem Rest der Technischen Fakultät aber zu aufwendig. Wäre mittlerweile auch nicht mehr praktikabel, durch die viel höhere Prüfungsdichte (wir hatten damals z.B. eine Prüfung über drei Semester theoretische Informatik) und insgesamt viel höheren Durchsatz (schon alleine an Räumen würde es fehlen).

Das Problem mit den Krankschreibungen hat GOP wohl eher verschärft. Hier wurden dann Vertrauensärzte eingeführt (FAU-weit, ob in der Informatik weiß ich nicht).
Das Problem mit den zu harten Prüfungen zum Ende des Vordiploms wurde durch die Zerkleinerung der Prüfungseinheiten (also eben höhere Prüfungsdichte) sicherlich entschärft.

Und hier kommen wir nämlich auch zu einer Kernfrage, aus meiner Sicht, wenn man so eine Maßnahme einführt: Will man dass das Studium inhaltlich anspruchsvoll ist, oder will man, dass Randbedingungen es erschweren? Denn die GOP sind eine erschwerende Randbedingung. Ich halte ein Studium für erfolgreicher, wenn die Randbedingungen das Lernen möglichst leicht machen, so dass man dafür mehr bzw. anspruchsvolleren Stoff erlernen kann. Auch eine Prüfung über drei Semester Stoff ist eben eine erschwerende Randbedingung, zu viele Prüfungen im Semester können das aber natürlich auch sein. Über diese Effekte wurde aber damals nicht geredet. Es wurde in den entspr. Gremien nur darüber geredet, wie man die Vorgabe der Politik erfüllen kann, ohne zuviel Aufwand zu haben. Hierzu eine Randnotiz: GOP gibt es nur in Bayern.

Einen Seiteneffekt, die mögliche Niveauverwässerung, habe ich schon genannt. Andere Seiteneffekte die damals aufgetreten sind:

  1. Teile der Studierenden mussten Nebenjobs annehmen oder ausweiten, um die damals neu eingeführten Studiengebühren zahlen zu können, sollten aber gleichzeitig das neue „Vollzeitstudium“ studieren, das so etwas gar nicht vorsieht. Und das damalige, harte GOP kam dann eben noch obendrauf. Eine soziale Ungerechtigkeit, wer reiche Eltern hat, hat auch mehr Zeit, sich auf diese Prüfungen vorzubereiten.
  2. Teile der Studierenden kamen mit einem Deutschniveau nach Deutschland, welches unter dem Niveau lag, das man zum Studieren braucht. Die Vorgabe zur Zulassung war nämlich klar darauf ausgelegt, dass sich die Deutschkenntnisse vor Ort dann schnell verbessern, aber eben nicht schnell genug, wenn du das damalige GOP im Nacken hast. Passenderweise hatten diese Studierenden typischerweise auch nicht so viel Geld und Nebenjobs waren in dieser Gruppe die Regel. Ich kenne viele aus dieser Gruppe, und charakteristisch war, nicht wenig verwunderlich, dass sie sich fachlich als „late bloomer“ gezeigt haben. Die hatten Glück, denn sie waren wie ich vor GOP da.
  3. Konkret in der Informatik war eine Gruppe von Studierenden durch GOP komplett abgesägt. Diese haben im Sommersemester begonnen und mussten Mathe 2 vor Mathe 1 hören. Die vorher zugesicherte Abstimmung des Mathe 2-Dozenten darauf fand dann schlichtweg nicht statt. Die Sommersemester-Ersties mussten also nach dem ersten Semester Mathe 2 ablegen, ohne die dafür nötigen Vorkenntnisse erworben haben zu können, und sind in extrem hoher Zahl durchgefallen. Dank GOP hatten sie jetzt nur noch eine Möglichkeit, zu bestehen, nach dem zweiten Semester, ohne aber Mathe 2 davor noch einmal hören zu können (denn im WS fand ja nur, aber immerhin dann einmal, Mathe 1 statt). Das ist nämlich so ein typisches Problem, wenn Regeln und Beschränkungen im Studium eingeführt werden: Es wird immer so geplant, als ob alles perfekt abläuft, und wenn es nicht klappt, ist der Studierende selbst dafür verantwortlich. Aber diesem Selbstanspruch werden die Dozenten nunmal beileibe nicht immer gerecht. (*zu diesem konkreten Fall sei angemerkt, dass als Reaktion auf die Proteste die Informatik auch für diese Fälle eine Lösung gefunden hat, Prüfungsergebnisse konnten nachträglich annuliert werden)

Ich fasse zusammen:
Es wurde politisch eine Maßnahme beschlossen, die den Studierenden „helfen“ sollte, aber tatsächlich gab es keinerlei neue Hilfsangebote; stattdessen eine willkürlich verschärfende Regelung. Diese war zwar sehr ökonomisch umzusetzen, ging aber generell betrachtet an ihrer eigentlichen Zielgruppe, den Langzeitstudierenden, vorbei. Stattdessen führte sie zu Problemen an verschiedenen Stellen und insbesondere auch zu mehr sozialer Ungerechtigkeit.

Ich zitiere die Wikipedia:

Die Freiheit in der Lehre und das selbstbestimmte Lernen wird auch hier berührt, denn vorgegebene Rahmenbedingungen wie die GOP-Forderung beeinflussen einerseits die Lehrqualität und andererseits die individuelle Verwirklichung im Fach, das man lernt. Der Gegenpol dazu ist ein Studium, in dem ich frei entscheide, welche Vorlesungen ich höre, welche Übungen ich besuche und welche Aufgaben ich abgebe, wann ich mich zu Prüfungen anmelde und in welchem Umfang und Tempo (damit meine ich, oberhalb der Mindestforderung) ich studiere. Natürlich muss man einen sinnvollen Kompromiss finden.

(Aus meiner Sicht war das damalige, deutlich freiere Diplomstudium dieser sinnvolle Kompromiss. Ich bin aber beileibe kein Gegner des BA/MA-Systems und noch nichtmal von Bologna. Sicherlich habe ich einige Änderungsvorschläge an der aktuellen Studiengangsausgestaltung, aber ich würde nicht in Anspruch nehmen, dass der Großteil der aktuell Studierenden diese befürworten würde. Auch handelt es sich hierbei um keine Dealbreaker.)

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[quote=Marcel[Inf]]
@Ford Prefect: Was war denn konkret die Kritik am GOP-System der Informatik damals? Das heutige Konzept finde ich an sich nicht schlecht. Die meisten Studenten, die - sagen wir mal - mindestens durchschnittlich in ihren akademischen Leistungen sind, betrifft es eh nicht, weil diese die 30 ECTS durchaus in 2 Semestern holen können. Und die, die das nicht schaffen (mal abgesehen von billigenden Umständen), sollten vielleicht ernsthaft in Erwägung, ob ihnen die Informatik tatsächlich liegt.
[/quote]Die krassesten Auswirkung sieht man im Maschinenbau bei Statik. Das Modul zieht sich über zwei Semester und muss in zwei Versuchen bestanden werden. Wenn die Studenten nach drei Semestern rausgeprüft werden, sind sie auch für IP und WIng gesperrt. Dagegen ist unsere GOP ziemlich lasch.


Danke für das Hintergrundwissen!